Die Stifter der Sammlung

Kurt und Gertrud Lamerdin

Die Wieslocher Familie Lamerdin war seit 1909 in der Bahnhofstraße 39 ansässig. Sie wohnte jedoch mindestens bereits seit dem 19. Jahrhundert in der Stadt.

Die Eheleute Gertrud und Kurt Lamerdin

Georg Philipp Lamerdin wurde am 4. Dezember 1880 in Wiesloch geboren, er war als Bäcker tätig. Er heiratete die aus Tairnbach gebürtige Anna Barbara Ulrich, die am 15. April 1883 geboren worden war. Seit dem 20. November 1909 betrieben sie in der Bahnhofstraße eine Bäckerei. Es kamen drei Söhne und eine Tochter zur Welt.
Kurt Lamerdin, der jüngste Sohn, wurde am 7. Oktober 1918 geboren. Nach der Volksschule besuchte er das Gymnasium in Wiesloch, brach diese Schullaufbahn aber ab und erlernte ebenfalls das Bäckerhandwerk. Freund und Weggefährte aus der Kinder- und Lehrlingszeit Kurt Lamerdins war Berthold Sachs (Inhaber des Bäckereibetriebes in der unteren Hauptstraße). Diese Freundschaft dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert. Für die jungen Leute gab es während des Krieges um 1940 in Wiesloch nur einige wenige gesellschaftliche Zerstreuungen. Ein beliebter Treffpunkt war der evangelische CVJM. Dort fanden sich für Kurt Lamerdin Gleichgesinnte.
Kurt Lamerdins Bruder Karl war befreundet mit Gertrud Zutavern, die am 15. Juli 1913 in Wiesloch geboren wurde. Sie hatte eine Schwester und drei Brüder. Ihr Vater, Erwin Zutavern, war Besitzer des historischen Freihofes. Er betrieb von 1929 bis 1940 dort eine Weinstube. Gertrud Zutavern absolvierte in Wiesloch das Gymnasium und wollte nach dem Abitur ein Studium beginnen. Von Zeit zu Zeit half sie nicht nur im elterlichen Betrieb, sondern auch in der Bäckerei Lamerdin aus.

Kurt Lamerdin war während des Zweiten Weltkrieges vom 26. März 1940 bis 7. Oktober 1945 im Kriegsdienst. Er war als Fallschirmjäger in Italien stationiert. Jung und ehrgeizig studierte er dort in den wenigen freien Stunden Sprache und Kunst dieses Landes. Die italienische Kunst war wohl auch für ihn Anstoß für ein nicht mehr versiegendes Kunstinteresse. In der kulturell aufgeschlossenen Gertrud Zutavern fand er nach seiner Heimkehr eine interessierte Partnerin; am 20. März 1953 heirateten Kurt Lamerdin und Gertrud Zutavern.

Seit seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft führte Kurt Lamerdin die Bäckerei seines Vaters weiter, sein Bruder war im Krieg gefallen. In den frühen Nachkriegsjahren machten er und seine Freunde Bekanntschaft mit zwei ausgebombten Kunsthändlern aus Mannheim, die in der Ebertstraße Notquartiere bezogen halten. Es fand ein reger geistiger Austausch statt, den Kurt Lamerdin nutzte, um sein theoretisches Wissen in der bildenden Kunst zu vertiefen. Sein Interesse an der Kunst wurde immer brennender, und er begann, seine ersten Kunstwerke zu kaufen.
Diese spontan entstandene ländliche Wieslocher Kunstsammler- und Kulturszene wurde auch von Freund Fleischmann sehr geprägt, der im Dritten Reich als Kulturbeauftragter in der Pfalz tätig gewesen war und dort – wohl auch gegen seinen politischen Auftrag – für Avantgardekunst eine interessierte und schützende Nische offengehalten hatte. Aus dieser Zeit stammte auch seine Bekanntschaft mit dem Künstler Otto Dill.
Fleischmann kannte neben Künstlern 
auch einige Kunst-Auktionäre. Die Freundschaft Lamerdin-Fleischmann befruchtete ihre gegenseitige Kunstsammler-Leidenschaft. Gertrud und Kurt Lamerdin fuhren immer wieder zu Kunstauktionen nach Paris und London. Ihr Alltagsleben gestaltete sich dagegen eher sparsam, denn die Sammlung von Gemälden, Graphiken, Skulpturen und Antiquitäten sollte wachsen. Eine „Kunstbesessenheit“ bescheinigten die Freunde Kurt und Gertrud Lamerdin, deren Ehe kinderlos blieb.

Viele alte Wieslocher erinnern sich an Kurt Lamerdin und seine Frau als ein freundliches Bäckerehepaar. Kurt Lamerdin fuhr seine Brötchen selbst mit dem Motorrad aus. Daneben kümmerte er sich um die künstlerische Ausgestaltung des Freihofrestaurants.
Mit 48 Jahren gab er seinen Bäckerberuf auf und wurde Privatmann. Der Verkauf des Freihofes aus dem elterlichen Erbe Gertrud Zutaverns an die Stadt Wiesloch sicherte ihm und seiner Frau eine lebenslange Leibrente zu.
Die ehemalige Freihofbrennerei ließ er abreißen und ein Mehrfamilienhaus darauf errichten. Die Bäckerei in der Bahnhofstraße mit dem ersten Wohngeschoß wurden an Bäckermeister Thiemicke verkauft, das zweite Obergeschoß blieb sein Eigentum.

Gertrud und Kurt Lamerdin sammelten nicht nur Kunst, sondern lebten auch mit ihr. Sie bauten ein einbruchsicheres neues Wohnhaus am Stadtwald, es sollte als passender Rahmen für die Sammlung dienen. Nach der Vollendung des Baus schien das neue Haus aber zu abgelegen zu sein, um die Schätze sicher bewahren zu können. So unterblieb der Umzug ins neue Heim, und Kurt und Gertrud Lamerdin wohnten weiterhin in der Bahnhofstraße 39. 

Kurt Lamerdin prägte das Wieslocher Stadtbild mit seiner kantigen Persönlichkeit, dem knatternden Vespa-Roller und der nie fehlenden Baskenmütze als ein Original mit. Auch ein „Wingert“ – ein typisches Attribut für einen „echten Wieslocher“ der damaligen Zeit – wurde von ihm bestellt. Am 7. Mai 1994 verstarb Kurt Lamerdin in Heidelberg, seine Frau Gertrud starb am 23. Oktober 1999 in Wiesloch. Sie ruhen auf dem Stadtfriedhof in Wiesloch.

Karin Hirn und Grete Bergdolt, Katalog „Kunstsammlung Kurt und Getrud Lamerdin“.

Für die Identität und die Lebensqualität in einer Gemeinde hat Kunst eine große Bedeutung.
Die Begegnung mit Kunst fördert die Kommunikation und erhöht die Toleranz.

Dr. Helmut Bergdolt, Vorsitzender der Bürgerstiftung Kunst für Wiesloch e.V.